Konzept

Tiergestützte Intervention und Bauernhoferlebnispädagogik

Die positive Wirkung von Tieren ist zunehmend auch wissenschaftlich belegt. Tiergestützte Intervention ist der Oberbegriff für alle Angebote, in denen geeignete Tiere eingesetzt werden, um deren positive Wirkungen gezielt zur Verbesserung physischer, sozialer, emotionaler und kognitiver Fähigkeiten einzusetzen.

Die tierischen Mitarbeiter*innen wirken dabei als Türöffner, Bindeglied und Motivator.

Diese Angebote können fördernd, pädagogisch oder auch therapeutisch aufgebaut sein.

Die tiergestützte Arbeit auf einem Bauernhof vereint zwei pädagogische Möglichkeiten: Die Kinder und Erwachsenen machen eigene, unmittelbare Erfahrungen mit Natur und Tieren. Sie lernen die bäuerlichen Abläufe kennen. Wo sonst gibt es auf engem Raum so viel zu sehen, riechen, fühlen, schmecken und erleben als auf einem vielseitigen Bauernhof. Die Kinder und Erwachsenen werden dort nicht beschäftigt, sondern helfen mit bei grundlegenden Dingen wie dem Ernten von Obst und Gemüse und dem Versorgen der Tiere. Die vielfältigen Eindrücke, Sinneserlebnisse und sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten am Hof machen den wesentlichen Unterschied zu anderen Therapieformen aus. Das gesamte Umfeld wirkt positiv und nachhaltig auf die Entwicklung der Personen. Sie entwickeln Gefühle für die Tiere und machen unermüdlich eigene Erfahrungen. Die vielen körperlichen Aktivitäten im Stall und Scheune sowie auf dem Feld und in der Wiese bieten unzählige motorische Fördermöglichkeiten. Alles Lernen auf dem Hof geschieht, ohne dass man es als pädagogische oder therapeutische Maßnahme empfindet.

Mittelpunkt unserer tiergestützten Arbeit sind natürlich unsere Tiere. Auf unserem Hof leben klassische Bauernhoftiere wie Schafe und Ziegen, aber auch Ponys und Pferde, Hunde, Kühe und Hühner. Gerade die klassischen Bauernhoftiere werden häufig in ihren Fähigkeiten und in ihrem Potential für die tiergestützte Arbeit unterschätzt.

Hunde können das kindliche Verhalten beeinflussen

Keine andere Tierart ist mit dem Menschen derart eng verbunden und wird von diesen auf so vielfältige Art und Weise eingesetzt wie der Hund. Bei der tiergestützten Arbeit geht es dabei in erster Linie um die sozialen Funktionen des Hundes in der Mensch-Hund-Beziehung. Dabei spielt die nonverbale Kommunikation die entscheidende Rolle. Im Zusammensein mit dem Hund kann sich dem Menschen diese nonverbale Kommunikationsmöglichkeit wieder bewusstwerden. Dadurch fühlt er sich vom Hund um seiner selbst willen angenommen und akzeptiert; vielleicht sogar verstanden und bestätigt, wenn sich Mensch und Hund in bestimmten Charaktereigenschaften sehr ähnlich sind. Der Hund hat gelernt, was die menschliche Körperhaltung, der Gesichtsausdruck oder der Geruch unter unterschiedlichen Bedingungen (Stress, Ruhe) bedeutet. So erkennt er die Stimmung des Menschen und richtet sein Verhalten danach. Diese natürlichen Fähigkeiten des Hundes, die Beziehung zum Menschen als wortloser, emotional zugewandter und authentischer Interaktionspartner zu gestalten, sind wohl die wichtigsten und effektivsten Voraussetzungen, um Hunde zu therapeutischen Begleitern zu befähigen.

Pferde übertragen Wärme und Stärke auf den Menschen

Beim Reiten werden durch die Bewegungen des Pferdes ständig sensorische und motorische Reize stimuliert, aktiviert und trainiert. Für Menschen ist es ein beglückendes Gefühl, von einem anderen Wesen getragen zu werden. Es steigert das Selbstbewusstsein, ein so kraftvolles Tier mit sanften Hilfen und einfachen Worten zu bewegen. Der eigene Körper kann durch die sensible Reaktion des Pferdes besser wahrgenommen werden, weil das Pferd selbst auf kleinste körpersprachliche Bewegungen reagiert. So spiegeln Pferde auch unbewusste Gefühle und Stimmungen der Menschen wider.

Unsere Pferde und wir sind dafür ausgebildet, das Erlebnis Reiten für Menschen aller Altersklassen mit (und ohne) geistiger Behinderung oder mit leichten Mobilitätseinschränkungen zu ermöglichen.

Ponys wecken Kraft, Mut und Führungskompetenz

Ponys sind Meister im Lesen von Körpersprache. Ihre existentielle Frage heißt: „Kann ich dir vertrauen?“ Ist der Mensch aggressiv, geht das Pony weg. Ist der Mensch ängstlich, folgt das Pony nicht, da der Mensch als Herdenführer tauglich sein muss. Das erfahrene Pony gibt dem Menschen einen Vertrauensvorschuss, es fungiert als Lehrmeister. Das Pony mit seinem starken Aufforderungscharakter ist ein ideales Gegenüber für ängstliche Menschen. Hier gilt es, Körpersprache zu verstehen und zu lesen.

Ponys reagieren im Gegensatz zu Menschen situationsgebunden und ohne bewusste Bezugnahme auf ihre Vergangenheit und Abschätzung der Folgen ihres Handelns für die Zukunft. Sie leben ausschließlich im Hier und Jetzt. Eine Anregung zur Verhaltensänderung durch das Pony wird von Menschen leichter angenommen als eine Verhaltenskorrektur vom Therapeuten. Soziales Lernen wird über das Erleben möglich.

Kühe – in der Ruhe liegt ihre Kraft

Kühe sind feinfühlige, soziale Lebewesen, die vor allem Ruhe und Verlässlichkeit ausstrahlen. Ihre besondere Stärke liegt in ihrer friedlichen und gutmütigen Art. Beim

Anblick der rhythmischen und fasst zeitlupenartigen Kieferbewegungen weichen Stress und Hektik einer tiefergehenden Entspannung.

Kühe zeichnen sich als wertvolle Partner in der Wahrnehmungsschulung aus, sind sehr empfänglich für Berührungen. Direkter Körperkontakt mit Kühen lässt die Menschen Geborgenheit und Nähe intensiv erleben.

Schafe entschleunigen sanft und wecken Vertrauen

Für Menschen wirken Schafe oft eher langweilig. In der praktischen Arbeit eignen sie sich aber hervorragend für Menschen mit Behinderung. Durch ihre dichte Wolle ermöglichen sie Menschen mit schwach entwickeltem taktilen Sinn, diesen zu schärfen. Ihr dicker Wollmantel schützt sie vor ungelenken Händen, weshalb sie auch gröberes Anfassen eher tolerieren. Außerdem sind Schafe bei der Kontaktaufnahme weder fordernd noch bedrängend. Die sanften Tiere nähern sich ganz vorsichtig und beriechen zuerst den Menschen, bevor es zu Maulberührungen kommt. Sie beißen nicht und treten nicht aus, weshalb sie ideal für ängstliche und unsichere Menschen sind. Hinzu kommt, dass Schafe eine optimale Größe haben, um Personen im Rollstuhl auf Augenhöhe zu begegnen. Darüber hinaus locken Schafe Personen mit emotionalen Störungen aus der Reserve und geben ihnen Kraft und Selbstbewusstsein.

Schafe sind sehr soziale Wesen, jedes einzelne Tier passt sich perfekt an die Gruppe an. Von diesem starken Wir-Gefühl und Urvertrauen in der Herde können Kinder und Erwachsene soziales Verhalten lernen.

Die Wirkungen von Tieren auf den Menschen sind vielseitig

Physische Wirkung:

  • Verbesserung der fein- und grobmotorischen Fähigkeiten
  • Verbesserung der Beweglichkeit
  • Entspannung

Soziale Wirkung (Verbesserung von):

  • Empathie
  • Bindungs- und Beziehungsfähigkeit
  • Verantwortungsbewusstsein
  • Impulskontrolle
  • Regelbewusstsein
  • Selbstwertgefühl

Psychische Wirkung:

  • Kognitive Entwicklung
  • Förderung der Kreativität
  • Förderung der Konzentration
  • Förderung der Aufmerksamkeit
  • Förderung der Ausdauer

Bei der praktischen Umsetzung stehen der Mensch, die tiergestützte Fachkraft und das Tier in einem Bezugsdreieck: Der Mensch bringt seine persönliche Situation mit, worauf die tiergestützt arbeitende Fachkraft Einheiten nach methodisch didaktischen Prinzipien gestaltet. Das Tier wird dabei auf eine Art und Weise eingebunden, welche seinen natürlichen Verhaltensweisen entspricht.

Therapietiere und ihre Bedeutung

Ein Therapietier, egal ob Nutz- oder Haustier, lebt in der Regel bei seinem ebenfalls geschulten Besitzer und wird nicht für spezifische Dienstleistungen bzw. abgegrenzte Aufgabenbereiche ausgebildet. Auch sind es keine Tiere, die ein paar Tricks gelernt haben. Sie unterstützen den Menschen vor allen Dingen emotional, das bedeutet, sie sind einfach nur da, um mit den Menschen zu kommunizieren. Das hört sich sehr einfach an, ist für das Tier aber mit großem Stress und hohen Anforderungen verbunden (ungewohnte Reize, motorisch ungeschickte Menschen, nicht tiergerechte Kontaktaufnahme, Bedrängung oder Bedrohung auch durch Gegenstände, Emotionen und Stimmungsschwankungen). Der Einsatz des Tieres kann immer nur im Team mit einem fachkundigen Menschen erfolgen. Das Tier selbst ist nicht die Therapie, sondern hat eine begleitende und unterstützende Funktion.

Artübergreifende Kommunikation zwischen Mensch und Tier

Wir Menschen haben nicht den besten Ruf , wenn es darum geht, mit Tieren auf Augenhöhe zu kommunizieren – eher haben wir uns mit Forderungen hervorgetan. Unsere häufigsten Fragen an die Tiere waren „Wie kann ich dich nutzen?“ oder „Wie kannst du mir gefallen?“. Jetzt, wo wir von den Stärken der Tiere profitieren wollen und uns heilsamen Kontakt wünschen, hat der Mensch-Tier-Dialog eine Chance – aber nur, wenn wir die Sprache der Tiere verstehen, können wir eine gemeinsame Ebene des Dialoges und der Aktion finden. Die regelmäßige Beobachtung des Verhaltens von Mensch und Tier bildet für einen gemeinsamen Dialog die Basis.

Das Tiertraining

Beim Training unserer Tiere, sowohl bei den Nutztieren als auch bei den Hunden, verzichten wir weitestgehend auf die Belohnung durch Leckerchen. Nur zu häufig sind die Tiere sonst lediglich auf den Futterbeutel fixiert, eine Mensch-Tier-Beziehung, die auch auf den emotionalen Wirkungskreis zielt, wird so kaum möglich sein. Wir beobachten unsere Tiere genau und finden heraus, welche individuellen Talente im Tier bereits angelegt sind. Diese werden dann durch unsere positive Bindung zu unseren Tieren trainiert und verstärkt.

Methoden der tiergestützten Arbeit

Durch den Einsatz verschiedener Tierarten mit ihren individuellen Talenten, können wir unterschiedliche Methoden anbieten:

Hort-Methode

Die Begegnung zwischen Mensch und Tier findet in einem klar abgegrenzten Raum (auch Stall oder Wiese) statt. Die Nähe zwischen Mensch und Tier wird hierbei von der Kontaktbereitschaft von Kind und Tier bestimmt.

Brücken-Methode

Die Distanz zwischen Mensch und Tier, sowie ein direkter taktiler Kontakt, wird mit Hilfe eines Gegenstandes (Bürste, Leine oder Hand des Begleiters/Therapeuten) überbrückt.

Methode der Integration

Das Tier ist Teil einer pädagogischen bzw. therapeutischen Aktion. Es wird als lebendiges Hilfsmittel in ein bestehendes Konzept integriert. Dies geschieht nur dann, wenn ein artgerechtes Verhalten möglich ist. Das Tier ist Teil der Interaktion und Kommunikation zwischen Mensch, Tier und Fachkraft.

Zum Umgang mit den Tieren

Wir erwarten natürlich von allen Menschen einen vorsichtigen, achtsamen und respektvollen Umgang mit unseren Tieren. Niemand darf ihnen Schmerzen zufügen oder sie beschimpfen.

Alle Beteiligten müssen die Grenzen der Tiere erkennen und akzeptieren.

Hygienische Maßnahmen

  • Regelmäßige Reinigung von Decken und Spielzeugen der Hunde.
  • Tägliche Reinigung der Ställe und Wiesen aller Tiere.
  • Interventionen mit immungeschwächten Personen nur in Absprache des behandelnden Arztes.
  • Händewaschen vor und nach der Intervention.
  • Keine Intervention bei Infektionen oder Parasiten des Tieres oder Infektionen beim Menschen.
  • Mögliche Verletzungen beim Menschen werden ärztlich behandelt und dokumentiert.

Präventive, hygienische Maßnahmen

Unsere Hunde werden regelmäßig mit den von der StiKo Vet empfohlenen Impfungen geimpft. Außerdem findet eine regelmäßige Kontrolle auf Außen- und Innenparasiten statt, ebenso eine regelmäßige, allgemeine Gesundheitsuntersuchung.

Darüber hinaus wird natürlich sehr viel Wert auf eine artgerechte Haltung und gesunde Ernährung mit hochwertigem Futter gelegt.

Auch unsere Nutztiere, Ponys und Pferde werden mit den empfohlenen und vorgeschriebenen Impfungen geimpft. Dies ist bei allen Tierarten eine Tetanusimpfung, bei den Schafen und Ziegen zusätzlich eine Blauzungen-Impfung.